Studie ermittelt ökomischen Wert von Pilzen – stärkere Berücksichtigung in der Forschung gefordert

Studie ermittelt ökomischen Wert von Pilzen

Ob Nahrungs- oder Genussmittel, Medizin, Kosmetikindustrie oder Biotechnologie – Pilze sind in vielen Bereichen unseres heutigen Lebens vertreten. Ihre große Bedeutung für die Menschheit spiegelt sich jedoch nicht in der Forschung über sie wider, meinen Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Sie ermittelten daher die Leistungen, die Pilze für die Menschheit bringen. Das Ergebnis: Knapp 55 Billionen Dollar – was etwa der Hälfte des globalen Bruttosozialprodukts entspricht.

Die Basis: Direkte Angaben und Schätzungen

Für die Berechnung dieses Wertes haben die Forschenden alle Wirtschaftsbereiche ausfindig gemacht, in denen Pilzprodukte eine Rolle spielen. Dazu gehören frische Speisepilze ebenso wie Hefepilze für die Industrie oder extrahierte medizinische Wirkstoffe. Für jeden Bereich wurde dann versucht, einen Marktwert zu ermitteln. Direkte Angaben aus Branchenberichten, wie etwa für alkoholhaltige Getränke, oder Schätzungen aufgrund von Referenzpreisen, wie bei der Kohlendioxid-Speicherung, dienten als Grundlage.

Vielfältige Anwendungsbereiche

Die Liste der Bereiche, in denen Pilze vertreten sind, ist lang. Als Frischware für den Verzehr werden den Wissenschaftlern zufolge rund 60 Arten von Speisepilzen in Kulturen angebaut. Hinzu kommen wild wachsende Arten. Insbesondere in China spielen Pilze eine wichtige Rolle, in der Esskultur ebenso wie in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Ein großer Einsatzbereich ist zudem die Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln, etwa bei Käse, Bier, Wein oder Konservierungs- und Säuremitteln. In der Medizin finden Pilze ebenfalls ein breites Anwendungsspektrum, wie verschiedene Antibiotika – unter anderem Penicillin – oder Medikamente zur Unterdrückung der Immunabwehr zeigen. Darüber hinaus kommen Pilze in der Kosmetikindustrie oder der Biotechnologie zum Einsatz, sowie bei der Herstellung von Biosprit, Papier oder Textilien als Beispiele.

Mykorrhiza-Pilze als CO2-Speicher

Neben ihrem Einsatz in den genannten Bereichen, geht der größte Teil des ermittelten Wertes jedoch auf die Beteiligung von Mykorrhiza-Pilzen bei der CO2-Bindung zurück. Pilze sind den Wissenschaftler:innen zufolge maßgeblich daran beteiligt, dass Bäume Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnehmen und in andere Kohlenstoffverbindungen umsetzen können. Sie seien daher für das Funktionieren und den Fortbestand von Ökosystemen, vor allen Dingen von Wäldern, elementar. Indem sich Mykorrhiza-Pilzfäden symbiotisch mit dem Wurzelwerk der Bäume verbinden, helfen sie aktiv dabei, CO2 zu binden. Dieser Fakt würde bisher in den Debatten um die Rolle von Wäldern beim Klimaschutz massiv unterschätzt.

Leistungen der Pilze transparent machen

Die zugrunde liegenden Berechnungen werden von Ökonomen zum Teil kritisiert, etwa die Bepreisung des Kohlendioxids. Nach Ansicht der Forscher:innen ist eine ökonomische Bewertung jedoch unerlässlich, um die von Pilzen in Ökosystemen erbrachten Leistungen im Vergleich zu anderen Wirtschaftsgütern transparent zu machen. Auf diese Weise schaffe man Klarheit in politischen Diskussionen, die oft von monetären Werten dominiert würden. Ökonomische Kriterien seien zudem oft Schlüsselelemente bei der Entscheidungsfindung in der Naturschutzpolitik. Ein besseres Verständnis der Rolle und des Wertes von Pilzen könne darüber hinaus dazu beitragen, die Wertschätzung der Mykologie weltweit zu fördern.

Ausgangsbasis für weitere Berechnungen

Das Ziel der monetären Bewertung ist den Wissenschaftler:innen zufolge vor allem, die Bedeutung der Pilze für die biologische Vielfalt und den Naturschutz zu unterstreichen. Auf diese Weise will man erreichen, dass sie bei Strategien für ein wirksames Ökomanagement-System zukünftig berücksichtigt werden. Der Mykologe Professor Dr. Marc Stadler vom HKI sieht die Berechnung als Ausgangsbasis, der weitere Analysen folgen sollten. Die Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ zitiert ihn mit den Worten: „Wir behaupten nicht, dass die Rechnung auf den Dollar genau stimmt, aber es ist unseres Wissens nach die erste Gesamtrechnung dieser Art und soll als Grundlage für weitere Berechnungen dienen.“

Und eines wird bei dieser Studie deutlich: Pilze sind überlebenswichtig, ihre Vielfalt noch weitestgehend unerforscht. Neben den bereits bekannten Einsatzbereichen schlummert ein riesiges Potenzial an Naturstoffen in ihnen.

Weitere Informationen:

Artikel „Pilze – Von unschätzbarem Wert“, (Spektrum.de vom 14.08.2023, https://www.spektrum.de/news/forschende-beziffern-wert-von-pilzen-auf-55-billionen-dollar/2168904)

Studie “The contribution of fungi to the global economy” (Fungal Diversity, Ausgabe 121, 12.07.2023, https://link.springer.com/article/10.1007/s13225-023-00520-9#Abs1)

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