In seiner Ausgabe Nummer 12/2017 berichtet das Magazin „Fruchthandel“ über Pilze als Schwerpunktthema. Jochen Winkhoff, Geschäftsführer des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer (BDC e.V.) hat für diese Ausgabe die Fragen der Redaktion beantwortet:
- Welche Rolle spielt inzwischen Nachhaltigkeit in der Pilzproduktion?
Die Nachhaltigkeit spielt in der Pilzproduktion eine sehr große Rolle. Der Champignonanbauer nimmt sich die Rohstoffe aus der Natur, kultiviert darauf Champignons und vermarktet diese. Pflanzenschutzmittel kommen dabei nicht zum Einsatz. Das abgeerntete Substrat ist ein wertvoller Humusbringer für die Natur. Er wird gerne zur Verbesserung der Bodenstruktur und des Bodenlebens beispielsweise im Spargelanbau, im Obstbau oder im Weinbau aber auch im Garten und Landschaftsbau eingesetzt.
Das ist ein sehr hohes Niveau an Nachhaltigkeit, was in der Champignonproduktion erfolgt. Denn wo gibt es das schon, dass Stoffe der Natur entnommen werden und nach der Produktion diese wertsteigernden, reinen, organischen Materialien der Natur wieder zurückgegeben werden. Der Anbauer leiht sich dieses Material quasi aus. So entsteht eine win-win-Situation zwischen Flora, Fauna und Speisepilzerzeuger, aber auch der Pferdehalter, von denen wir den Stallmist für das Substrat beziehen.
Genau dieses Wissen und die Erfahrung bringt der BDC in die Klassenzimmer. Seit gut zwei Jahren läuft das deutschlandweite Schulprojekt „Champignons in den Schulen“. Es wird mit Begeisterung angenommen. Der BDC stellt Pilzboxen und Unterrichtsmaterialien den Schülern und Lehrern der vierten Klassen auf Anfrage kostenlos zur Verfügung. Eine Hotline-Servicestelle ist für aufkommende Fragen eingerichtet. Die Nachfrage ist größer als die jährlich bereitgestellten Pilzboxen von ca. 1.000 Stück. Auch das ist ein wesentliches Stück Nachhaltigkeit, die junge Generation für die geheimnisvollen Vorgänge in der Natur und deren Kreisläufe zu begeistern. - Welchen Anteil hat „Bio“? Gibt es hier eine Tendenz?
Sowohl die Ausgabenentwicklung als auch die Mengenentwicklungen bei frischen Bio-Champignons sind gestiegen. Im Zeitraum von 2012 bis 2016 gab es einen Anstieg von 3,3 auf 4,1 Prozent der Mengenentwicklung in diesem Bereich nach Angaben der AMI. Die Unterschiede zwischen dem Produktionsverfahren „Bio“ und dem kontrollierten Integrierten Anbau sind sehr gering. Chemische, synthetische Pflanzenschutzmittel werden in beiden Verfahren nicht eingesetzt. Der Engpass liegt beim Rohstoff. Stroh aus dem Biogetreideanbau ist knapp und von der Qualität manchmal weniger wertvoll. Der BDC geht davon aus, dass die Nachfrage an Biochampignons in den nächsten Jahren gleichbleibend oder leicht steigend sein wird. - Gibt es für Sie positive Impulse durch den Trend hin zu vegetarischer und veganer Ernährung?
Nach unserer Beobachtung gibt es tatsächlich diesen Trend, denn die Nachfrage nach frischen Champignons vor allem aus regionalem Anbau ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Der Verbraucher verlangt zunehmend Pilze aus seiner Region. Stagnierte der heimische Champignonanbau seit 2004 bei etwa 60.000 t Jahresproduktion, so stieg die Produktion zehn Jahre später auf 65.000 t und betrug im letzten Jahr sogar 70.000 t, auch hier scheint noch Luft nach oben zu sein. - Wir haben oft die Erfahrung gemacht, dass das Angebot von losen Pilzen im Lebensmitteleinzelhandel problematisch und durchaus verbesserungswürdig ist. Oft kommt es vor, dass speziell die Champignons trocken werden. Gibt es hierzu eine Korrespondenz mit dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel?
In den letzten Jahren ist der Trend von der losen Ware hin zu fertig verpackten kleineren Einheiten deutlich gestiegen. Es gibt Unterschiede zwischen dem Einkaufsverhalten in Nord- und Süddeutschland. Lose Ware wird nur noch vereinzelt, vorwiegend in Süddeutschland angeboten, aber auch hier ist der Trend zur fertig verpackten Ware festzustellen.
Speisepilze sind sehr empfindlich. Der LEH weiß das. Wenn bei loser Ware der Verbraucher dieses Produkt anfasst, bekommt es schnell Druckstellen und wird hässlich. Besonders empfindlich sind die Austernseitlinge. Auch das Austrocknen geschieht ohne Verdunstungsschutz in wärmeren Verkaufsstellen relativ schnell. Die Verpackungsmaterialien sind soweit optimiert worden, dass die beste Produktqualität über längere Zeit in verschlossenen Verkaufsverpackungen zu erzielen ist. Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel sieht das spezifische Verhalten von Speisepilzen als Herausforderung und wünscht vorwiegend Verkaufsverpackungen, Tendenz: eher steigend. Auch nach Angaben der AMI ist der Anteil loser Ware von 2012 bis 2016 leicht gefallen. Er liegt aktuell bei 6 Prozent. Gestiegen sind dagegen die 400 g und 250 g Schalen während 500 g Schalen an Marktbedeutung verloren haben. Dies korrespondiert sicherlich auch durch die Zunahme von Singlehaushalten in Deutschland. - Gibt es bei der Herstellung der Substrate bestimmte Beschränkungen oder Vorgaben, die eingehalten werden müssen, um ein Höchstmaß an Hygiene zu gewährleisten?
Die Hygiene bei der Substratherstellung ist und bleibt das A und O. Wer mit organischen Materialien arbeitet, weiß das. Wie ich schon in der ersten Frage angedeutet habe, wird im Champignonanbau auf den Einsatz von Pflanzenschutzmittel verzichtet. Fremdorganismen – das sind in der Regel ungewollte Konkurrenzpilzsporen – können nur ferngehalten werden, indem die Hygiene konsequent sorgfältig eingehalten wird. Das macht den erfolgreichen Speisepilzproduzenten aus. Im Produktionsverfahren wird durch Kompostierung und Pasteurisierung der Hygieneeffekt unterstützt. Er braucht eine hochqualifizierte langjährige Ausbildung und kostenintensive Produktionsanlagen, die diesen Hygieneanforderungen entsprechen. So wird bei deutschen Produzenten am Ende der Kultur über mehrere Tage der Kulturraum mit heißem Wasserdampf sterilisiert. Das ist energie- und damit kostenintensiv, aber für eine erfolgreiche Produktion unumgänglich. - Welche Preisentwicklung konnten Sie feststellen?
Wir konnten stagnierende Preise bis Anfang 2017 feststellen.
Die deutschen Erzeuger jedenfalls, die steigende Produktionskosten – insbesondere Stromkosten – haben, konnten diese kaum kompensieren. Im Gegensatz zum gewerblichen Bereich können sich die Champignonbetriebe nicht von der EEG-Umlage befreien lassen, obwohl sie die Mindestabnahmemengen dazu erreichen würden. Stromkosten im Ausland sind deutlich niedriger als in Deutschland. Auch die Auflagen durch die neue Düngeverordnung wird die Produktionskosten in die Höhe treiben. Der BDC schätzt, dass dies rund 5 Mio. Euro sein werden. Der Grund: Das organisch abgeerntete Pilzsubstrat unterliegt wie Kompost eine Ausbringungssperrfrist in den Wintermonaten und muss auf Betonplatten zwischengelagert werden. - Spielen Importe aus den Niederlanden, Belgien und Polen noch eine Rolle?
Ja, sie spielen immer noch eine große Rolle. Zwar konnten wir in Deutschland Marktanteile auf dem Frischmarkt für Champignons dazu gewinnen, aber unsere Produktionskosten liegen höher als in den oben genannten Ländern. Die Preise für heimische Ware müssten höher sein. Andere Gründe sind zum Beispiel das schwache englische Pfund. Es hat dazu geführt, dass Exporte der Niederlande nach Großbritannien rückläufig sind. Diese Ware drängt zusätzlich auf den deutschen Markt.
Der BDC hat durch seine seit 7 Jahren laufende Werbekampagne erreicht, dass heimische Champignons vom Verbraucher bevorzugt werden. Unserem Pilzbotschafter Peter Marseille mit seinem engagierten Einsatz mit Herzblut und Authentizität gilt unseren besonderen Dank.
Mit Ausstellungen auf der Bundesgartenschau, der Schulpilzaktion, Rezepthinweisen, Verbraucherflyern sowie Presseaussendungen investieren die deutschen Champignonbetriebe regelmäßig in die Zukunft. Nachzulesen ist dies auf den Internetseiten www.gesunde-pilze.de und www.gruenes-medienhaus.de/artikel/category/gesunde_pilze
Text/Bilder: BDC