Die Betriebe und deren Inhaber sind jung, sie schließen sich gern zum gemeinsamen Vermarkten zusammen, die Infrastruktur im Land hat große Fortschritte gemacht und die Kompostindustrie ist mittlerweile leistungsfähig – das sind laut Jeroen van Lier, Total Mushroom Service, Isselstein, die wichtigsten Merkmale des modernen polnischen Champignon-Anbaues. Van Lier ist seit vielen Jahren in jedem Monat eine Woche in Polen, er hat die Entwicklung im Osten deshalb hautnah miterlebt. „Die polnische Ware ist nicht schlecht, die Produzenten legen sehr viel Wert auf Qualität“ weiß der Champignonfachmann aus den Niederlanden.
Bis weit in die 1960er Jahre hinein gab es in Polen keinen nennenswerten Anbau, in den nächsten Dekaden schlossen sich die ersten Betriebe zusammen und produzierten auf größeren Flächen. Im Land galten Kulturpilze, und da vor allem die Champignons, aber immer noch als Luxusprodukt. 1988 wurde mit dem „Mushburger“ ein Schnellgericht erfunden, das dazu beitrug, Champignons populär zu machen. „Pilze sind seitdem in den Augen der Verbraucher kein Luxusprodukt mehr“ erklärte Jeroen van Lier. Die meisten Betriebe waren bis Ende der 1980er Jahre knapp eine Fahrtstunde von der westlichen Grenze entfernt angesiedelt. Sie wurden zunehmend von Fachleuten aus den Niederlanden und aus Irland beraten, die auch die moderne Technologie ins Land brachen. 1980 wurden in Polen 80.000 Tonnen Champignons produziert. Mit dem Bau der ersten Phase-II-Tunnels für die Kompostproduktion wuchsen die Betriebe stetig, erste heimische Zulieferer boten die entsprechende Technik an. Aus dieser Zeit stammt auch die Idee, sich zu 10 bis 30 Betrieben zusammenzuschließen um besser und effizienter zu vermarkten. 2013 wurden in Polen rund 250.000 Tonnen frische Pilze produziert, hinzu kommen noch 63.000 Tonnen Konserven. Mit zu diesem Wachstum hat auch das Angebot von Phase-III-Kompost beigetragen, der mittlerweile im Land selbst produziert wird, aber im Vergleich zum Westen recht teuer ist. „Mit diesem Angebot ist die Produktion wegen der kürzeren Kulturdauer noch einmal um 20 Prozent gestiegen“ berichtet Jeroen van Lier. Im Gegensatz zu den 1960er Jahren sind die meisten der modernen und jungen Betriebe allerdings im Osten des Landes angesiedelt. Dabei haben diese Betriebe sicher auch von EU-Subventionen für unterentwickelte Regionen profitiert. Geschätzte 180.000 Tonnen Pilze werden aktuell pro Jahr nach Russland exportiert. Aber auch Skandinavien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Griechenland sind Länder, die polnische Pilze importieren. Russland gilt vielen Exporteuren als unsicherer Kandidat, der auch schon mal Importverbote verhängt. „Wenn das passiert, fahren viele LKW mit Pilzen in den Westen. In den Niederlanden denken wir bereits über diese Marktsituation nach“ erklärte van Lier seinen Zuhörern bei der sehr gut besuchten Veranstaltung der Landesfachgruppe Kulturpilzanbau im Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer in Geldern. Aber auch im Land selbst steigt die Nachfrage, mit 40 Mio. Einwohnern ist Polen sicher auch ein interessanter Markt.
Aus westlicher Sicht ist das niedrige Lohnniveau ein großer Vorteil der Produzenten im Osten, 3,50 Euro beträgt zurzeit der Stundensatz. Allerdings wird es für die Betriebe immer schwieriger, Arbeitskräfte zu finden und die Stundenlöhne steigen auch in Polen. Noch kommen 90 Prozent der Arbeitskräfte im Pilzanbau aus Polen, doch Ukrainer sind vermehrt in den Betrieben zu finden.
Fazit: Mit ihrer guten Qualität, die auch deutsche Kollegen neidlos anerkennen, haben sich die Polen auf den internationalen Märkten durchgesetzt. Die Betriebe sind jung und innovativ, die Infrastruktur im Land wird immer besser. Das scheinen die größten Vorteile aus internationaler Sicht zu sein.
Text und Bild: Christiane James