Mehr Effizienz, weniger Mechanisierung – Einsatz von KI bei Pilz-Ernte und -Produktion

Eine der größten Herausforderungen in der Pilzproduktion ist das Finden und Halten von (guten) Erntehilfen. Wie die KI dabei helfen kann, dieses Problem zu minimieren, war ein spannendes Thema auf der 77. Jahrestagung des BDC Ende September in Leipzig. Darüber hinaus wurde der mögliche Einsatz von KI in der Produktion beleuchtet.

„Willkommen in der schönen neuen Welt, es ist noch einiges zu erwarten.“ Mit diesen Worten fasste Waldemar Schuler, der neue Vorsitzende des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer (BDC) e. V., die Ausführungen zum Einsatz künstlicher Intelligenz in der Pilzproduktion sowie bei der Ernte zusammen. Stéphane Doutriaux von dem Schweizer Unternehmen MycoSense SA/AG/Inc. (CH-Cully) stellte die firmeneigenen Produkte zur Ermittlung des Erntezeitpunktes mithilfe von Ki vor. Mark den Ouden vom Mushroom Office / Mushroom Education Centre B.V. (NL- ’s-Hertogenbosch) beleuchtete in seinem Vortrag „Künstliche Intelligenz in der Pilzzucht“ die Möglichkeiten, die KI in der Pilzproduktion bieten kann.

Größere Effizienz statt mehr Mechanisierung

Doutriaux machte gleich zu Beginn seines Vortrages deutlich: „Das Ziel ist, jeden Mitarbeiter bei der Ernte effizienter zu machen, nicht, die Ernte mehr zu mechanisieren“. Roboter seien nicht die Antwort auf die Frage nach der Steigerung der Pflückleistung. In den letzten sechs Jahren hat MycoSense über 50 verschiedene Pilzzuchtbetriebe besucht und deren Prozesse, Infrastruktur und Herausforderungen analysiert. Das Ergebnis: Fast alle Betriebe waren unterschiedlich. „Neue Technologien müssen in die bestehende Infrastruktur des Pilzbetriebes passen. Und sie müssen schrittweise eingeführt werden“, sagte der Gründer und CEO des Tech-Start-Ups. Mit den beiden Schlüsselprodukten „Spotlight“ und der zugehörigen „Harvest Manager Software“ gibt MycoSense nun den Pilzproduzenten eine effektive Lösung zur Steigerung der Effizienz an die Hand.

KI-unterstützte Ernte mit MycoSense Spotlight

MycoSense Spotlight ist ein transportables und drahtloses Gerät, das erntebereite Pilze auf dem Beet erkennt. Es kann an verschiedene Loren und Regalsysteme angebracht werden, zurzeit ist es verfügbar für Limbraco Pflückloren, GTL Tilting Shelves sowie für Growtime Pflückloren (Newton & Pascal). Abhängig von der Pflückanweisung zeigt Spotlight mit einem grünen Punkt auf die Pilze, die gepflückt werden sollen. Eine automatische Geschwindigkeitsregelung der Pflücklore ermöglicht ein kontinuierliches Pflücken in mehreren Durchgängen sowie ein Stop-and-go für das Ausdünnen dichter Beete. Die Erntehelfer müssen die Geschwindigkeit oder Stopps nicht anpassen, beim Wechsel der Pflückschalen stoppt das System automatisch. So könne die Ausbeute gesteigert und die Erntegeschwindigkeit erhöht werden.

Spotlight kann die Anzahl der Pilze pro Generation bestimmen und zwischen Generationen unterscheiden, was die Ausbeute maximiert. Das System misst mit einer Genauigkeit von 2 mm, angezeigt wird entsprechend nur, was der Pflücker benötigt. Die Pilze werden in Realtime gescannt und „Bid Data Karten“ für die Entscheidung erstellt. Informationen gibt es über die Anzahl der Pilze pro Generation, die Größenverteilung der Pilze sowie die Clusterdichte.

Das Harvest Manager Dashboard

Mithilfe des Harvest Manager Dashboards ermöglicht die Software datenbasierte Entscheidungen, bessere Vorhersagen und das Managen von Pflücker(-Teams). Über eine App für Mobiltelefon oder Tablet können Produzenten die Informationen von unterwegs aus abrufen und Arbeiten beziehungsweise Personal schnell koordinieren. Über ein RFID Picker Check-In-System sind präzise Statistiken möglich, etwa über die Performance einzelner Mitarbeiter oder jeden einzelnen Wachstumszyklus. Ein Room-Report erfasst außergewöhnliche Ereignisse, wie etwa Krankheiten im Bestand. „Die KI muss alles wissen, um daraus realistische Entscheidungen treffen zu können“, bringt es Doutriaux auf den Punkt.

Erhöhung der Pflückleistung

Nach Auskunft des Experten konnte beim Einsatz des Systems in den letzten beiden Jahren die Pflückleistung um 3,5-10 kg/h gesteigert werden, was einer Steigerungsrate von 10-30 Prozent entspricht. Die Ausbeute erhöhte sich um 2-6 Prozent. Gleichmäßigere Pilzgrößen in den Schalen, weniger Überpflücken und eine verkürzte Einarbeitung von neuen Pflückern waren darüber hinaus festzustellen.

Zu den (noch) größten Herausforderungen gehören nach Auskunft des CEO, Spotlight an den vielen unterschiedlichen Wagen und Loren zu befestigen sowie die Anpassung an verschiedene Strategien. Auch das automatisierte Entscheiden aufgrund unterschiedlicher Pinnings sowie das Flottenmanagement insbesondere bei wachsenden Flotten bedürfe noch weiterer Bearbeitung. Dafür erhöhten neue Funktionen wie die Speed Control die Performance.

Digital vorliegende Daten erforderlich

Doutriaux wies darauf hin, dass für das effektive Funktionieren des Systems alle Daten digital vorliegen müssen. „Man kann nicht von der KI profitieren, wenn nicht alles irgendwo zusammenläuft“, sagte er in Leipzig. MycoSense unterstütze seine Kunden dabei, dies zu realisieren und untersuche, wie die firmeneigene Software am besten in die bestehenden IT-Systeme der einzelnen Betriebe integriert werden können.

Einsatz von KI in der Pilzproduktion

Einen weiteren spannenden Ansatz zum Einsatz der KI verfolgt Mark den Ouden vom Mushroom Office / Mushroom Education Centre B.V. Ausgangspunkt für seine Untersuchungen war die Frage „Kannst du etwas mit Bildern und KI in der Pilzzucht anfangen?“. Gemeinsam mit Emile Derache von der belgischen Firma Heliovision (B-Leuven) arbeitet er daran, die KI in der Produktion nutzen zu können, um Aussagen zum Pilzwachstum machen zu können. Heliovision ist spezialisiert auf Bildverarbeitungslösungen, die auf 2D- und 3D-Bildgebung basieren. Eine eigens entwickelte Software erkennt und analysiert mithilfe intelligenter Algorithmen und Deep-Learning-Technologie das Pilzwachstum und ermöglicht eine auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene Automatisierung von Prozessen.

Beobachtung des Pilzmyzelwachstums

„Die Champignonkultur erfordert viel Aufwand, täglich muss mehrmals geschaut werden“, beschrieb den Ouden die Arbeit der Produzenten. „Und zwar an sieben Tagen pro Woche, 365 Tage im Jahr, jeden Tag zweimal, und das Jahr für Jahr. Wann muss ich mit dem Ablüften beginnen, Knöpfe zählen, was wächst aus und was nicht?“ So stand die Beobachtung des Myzelwachstums im Mittelpunkt der Untersuchungen, um mithilfe der KI eine Vorhersage zu diesen Fragen machen zu können. Nach Ansicht den Oudens sind wir „jetzt an einem Punkt, an dem die Technik günstiger wird und es sich lohnt“.

Mithilfe einer Kamera wird die Deckerde stündlich von oben fotografiert. Eine KI wertet die Bilder aus und soll Antworten finden. Wie weiß muss die Deckerde sein, um den optimalen Zeitpunkt für das Ablüften zu bestimmen? Dies habe Einfluss auf die Stückzahl und den Beginn der Ernte. Mithilfe der KI wird die Anzahl der Knöpfe gezählt, die durchkommen und die unterschiedlichen Abstufungen werden ermittelt. Das erlaubt dem Produzenten, den Bedarf an Personal, die Ernte, den Verkauf und den Vertrieb besser zu planen.

Aktuell sind die Kameras in drei Betrieben im Einsatz, zwei weitere sind in Planung. Als weiteren Vorteil nannte Ouden bessere Erträge, was weniger Arbeit für die Produzenten, geringere Erntekosten, bessere Planung des Personals und insgesamt weniger Fehler in der Produktion bedeute – und damit mehr Arbeitsfreude und geringere Fluktuation.

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