Dass Speisepilze nicht nur nützlich auf dem Teller sein können, zeigte Natalie Rangno vom Institut für Holztechnologie Dresden (IHD) aus Dresden auf der diesjährigen Jahrestagung des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer (BDC) e. V., als sie den zahlreichen Teilnehmer*innen einen Einblick in ihre Forschungsarbeit im Bereich der Mykobiologie gewährte. Der Fokus des Teams um Rangno liegt ganz auf dem Einsatz abgetragener Pilzsubstrate (APS) und ihrer Nutzung für die Herstellung alternativer Erden. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung von Torfalternativen in Abdeckerden sowie neuartiger Substrate zur Pilzproduktion, sondern auch um Deponieersatzbaustoffe, die künftig sogar für mehr Biodiversität auf Deponien sorgen könnten.
Wertvoller Reststoff
Alle aktuell produzierten Kulturspeisepilze wachsen auf Kompost-, Holz-, Stroh- oder Mischsubstraten sowie einer Schicht Abdeckerde. Rund 340.000 t Substrat kommen allein in Deutschland jährlich zum Einsatz. Sobald die Ernte der Pilze abgeschlossen ist, werden Substrat und Abdeckerde abgetragen und landen beispielsweise in der Landwirtschaft als Dünger oder in Kompostieranlagen. Das geht allerdings heute nicht mehr so ohne Weiteres. Wer seine abgetragenen Pilzsubstrate entsorgen will, muss diese inzwischen thermisch vorbehandeln, bevor sie den Betrieb verlassen dürfen. Das ist nicht nur kostenintensiv, sondern auch mit einem großen energetischen Aufwand für die Betriebe verbunden. Dabei ist abgetragenes Pilzsubstrat auch nach seiner Verwendung noch wertvoll: „Rund 30 % der darin enthaltenen Inhaltsstoffe sind noch nicht verbraucht“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Ein Weg könnte die abgetragenen Substrate direkt wieder zurück in die Pilzbetriebe führen, um als Reststoff erneut für die Pilzproduktion zu fungieren. In dem IHD-Projekt „PAS“, das 2017 abgeschlossen wurde, gingen Natalie Rangno und ihr Team genau dieser Frage nach. Ziel war es, neuartige Substrate für die Kulturpilzproduktion zu generieren, die aus nachwachsenden Rohstoffen beziehungsweise Reststoffen bestehen [1]. „Wir wollten neben abgetragenen Pilzsubstraten vor allem einheimische Rohstoffe wie Nadelholz, Weide, Pappel, Hanfschäben oder auch Xylit, das ein Abfallprodukt der Braunkohlproduktion ist, einsetzen. Denn gerade bei Stroh oder Buchenschäben konkurrieren Pilzbetriebe mit zahlreichen anderen Branchen. Dadurch werden die Rohstoffe nicht nur knapper, sondern natürlich auch teurer“, betont Rangno. Die Versuche haben gezeigt, dass noch einiges an Forschung zu leisten ist.
Die Erträge der Referenzpilze wie Kräuterseitling, Shiitake, Austernseitling und Mandelpilz waren stark abhängig von den Rezepturen der Substrate, der thermischen Vorbehandlung sowie der Hygienisierung und den Klimabedingungen. Als positiv bewertete die Wissenschaftlerin aber die Zugabe von APS und Hanfschäben in die Substrate sowie die Abdeckerden, da sie die Fruktifikation der Pilze beschleunigten. „Die Erträge waren dennoch sehr unterschiedlich, da die Inhaltsstoffe der abgetragenen Pilzsubstrate natürlich sehr verschieden sind. Die Betriebe haben oft eigene Rezepturen. Daher ist es wichtig, die APS vorher chemisch analysieren zu lassen, um genau zu wissen, was denn tatsächlich noch an Inhaltsstoffen vorhanden ist.“ [2] Des Weiteren betont sie, dass es eigentlich notwendig wäre, artspezifische Abdeckerden zu entwickeln, denn jeder Kultur- oder Speisepilz hat letztlich unterschiedliche Anforderungen an seine Umgebung.
Boden für den Boden
Als positiv wird der Einsatz von APS auch in einer völlig anderen Branche bewertet. Rund 110.000 Deponien finden sich in Deutschland. Um diese abzudecken, werden sogenannte Deponieersatzbaustoffe benötigt, die meist aus Ober- und Unterböden von Abraumförderbrückenmaterial aus dem Tagebau (AFB-Boden) bestehen. Diese haben allerdings schlechte bodenphysikalische, chemische und biologische Eigenschaften, sodass nicht selten Erosion und eine karge Vegetation die Folge sind. „Natürliche Böden sind für die Abdeckung meist zu teuer, weswegen man zu dieser kostengünstigen, aber regionalen Alternative greift“, erklärt die Wissenschaftlerin. In dem Verbundprojekt „Boden 2“ wurde daher ein alternatives Rekultivierungsmaterial aus verschiedenen abgetragenen Pilzsubstraten, kommunalen Klärschlämmen, Kompost, Grünschnitt sowie AFB-Boden entwickelt und auf Versuchsdeponien aufgebracht [3].
In nur zwei Jahren hat sich auf der Deponie Cröbern bei Leipzig einiges getan, denn nicht nur die ausgebrachten Blumen- und Wiesenmischungen haben sich prächtig entwickelt und schmücken die Deponie nun aus, sondern auch Tiere wie Hasen und Bienen haben sich wieder eingenistet und erfreuen sich an der grünen Oase. „Die Biodiversität und die Bodenfauna haben sich deutlich verbessert seit dem Einsatz des neuen Rekultivierungsmaterials. Das abgetragene Pilzsubstrat dient den Bodenlebewesen nicht nur als Nahrungsgrundlage, sondern sie tragen durch ihre Inhaltsstoffe außerdem aktiv zur Bodensanierung bei.“
Torffrei abdecken
Das Substrat allein macht noch keinen Pilz. Ohne die Abdeckerde geht es bei der Pilzproduktion nicht, denn sie speichert nicht nur Wasser, sondern sorgt für ausreichend Luftfeuchtigkeit im Kulturraum, macht den Gasaustausch möglich und enthält wichtige Bakterien, die für die Fruktifikation nötig sind. Doch sie enthält neben Sand, Kalk und vielen Zusatzstoffen auch Torf (60 % Schwarztorf, 15 % Weißtorf), der immer mehr zur Zielscheibe im politischen und gesellschaftlichen Diskurs wird. „Umso wichtiger ist es uns, mit dem Verbundprojekt MykoDeck nun die Entwicklung torffreier Abdeckerden für Kulturpilze voranzutreiben“, so die Wissenschaftlerin. Das Verbundprojekt soll bis 2024 laufen [4]. Transferpartner aus der Branche sind der Pilzhof Pilzsubstrat Wallhausen sowie die Champignonzucht Roland Münzner, wo die Kultivierungsversuche stattfinden werden. Erste Vorversuche waren bereits erfolgreich. So konnte erreicht werden, dass die Pilze in den eigens entwickelten torffreien Abdeckerden wachsen. Ob im späteren Verlauf dann tatsächlich eine Fruktifikation stattfindet, wird in den kommenden Jahren zu klären sein.
Quellen:
- F&E-Bericht des IHD-Projekts „PAS“ (2018): Entwicklung von Pilzsubstraten (PAS) für Kulturpilze. F&E-Bericht des IHD (2015 – 2017; BMWi; INNO-KOM FKZ MF140217). https://innovationstag-mittelstand-bmwi.de/erfolgsbeispiele
- Rangno N, Behrendt L, Kath S, Mäbert M, Scheiding W (2019): Entwicklung alternativer Substrate für die Kulturpilzproduktion aus nachwachsenden Roh-und Reststoffen (PAS). Holztechnologie. Ausgabe 3/ Mai S. 37-41. https://mykolabor-dresden.de/fileadmin/pdf/Kultivierung_Speisepilze.pdf
- F&E-Bericht des Verbundprojekts „Boden 2“ (2020): Entwicklung hochflexibler Aufbereitungstechniken zur Produktion neuartiger, funktionalisierter Deponieersatzbaustoffe (2017 -2019; SAB FKZ S216001; Veolia, IKTS, TU-Dresden, Silberland, IHD). https://tkor-netzwerk.de/wp-content/uploads/Abschlussbericht-Projekt-Boden-2.pdf
- F&E-Antrag des Verbundprojekts „MykoDeck“ (2020): Entwicklung torffreier Abdeckerden für Champignon und andere Kulturpilze ((2021 -2024; FNR; BMEL; FKZ 2220MT005: IKTS (A), LAV(B), IHD(C)). https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=2220MT005C
Text: BDC
Bilder: BDC
Kurzinterview mit Natalie Rangno vom Institut für Holztechnologie Dresden (IHD):
Frau Rangno, Sie hatten in Ihrem Vortrag angesprochen, dass die Pilzbranche zunehmend mit anderen Branchen um Rohstoffe wie Holz oder Stroh konkurriert. Ist die Pilzproduktion durch diese Konkurrenzsituation akut gefährdet? Wird sich dadurch die Pilzbranche langfristig auf Alternativen für die Substratherstellung umstellen müssen?
Meiner Einschätzung nach ist die Pilzbranche im Moment nicht gefährdet. Gerade für die Champignonherstellung spielen zum Beispiel Buchenschäben eine eher untergeordnete Rolle, weil dort mehr Stroh eingesetzt wird. Stroh wird allerdings natürlich in vielen anderen Branchen verwendet und vor allem im Bereich der Energiegewinnung und -forschung ist es von großer Bedeutung. Es wird allerdings Stand heute noch nicht viel davon umgesetzt. Das bedeutet, dass die Champignonbranche in den nächsten Jahren erst einmal nicht betroffen sein wird. Man muss aber sehen, dass wir in der Pilzproduktion immer von zwei verschiedenen Bereichen sprechen.
Wir produzieren nicht nur Champignons, sondern auch viele andere Kultur- und Edelpilze. Dort wiederum sind Buchenschäben für die Substratherstellung nötig. In Zukunft wird der Einsatz von Buche hierzulande deutlich schwieriger werden. Zum einen zielt die Forschung darauf ab, dass die Buchenschäben, die im Moment noch als Abfall anfallen, vermehrt in Holzplatten Verwendung finden. Zum anderen sind sie auch interessant als Torfalternative im Gartenbau. Durch die thermische Behandlung kann man die Späne auflockern und daraus torfähnliche Substanzen erzeugen. Das heißt, die Pilzbranche konkurriert auch mit dem Gartenbau um diesen Rohstoff. Ein weiteres Problem ist, dass die Buche als Laubbaum in vielen deutschen Wäldern gar nicht mehr gepflanzt wird, da sie mit den sich ändernden Klimabedingungen nur schwer zurechtkommt. Sie wird also vermutlich in den nächsten 50 bis 100 Jahren aus unseren Wäldern verschwinden. Ihr Ersatz wird die Eiche sein. Die Pilzforschung müsste sich also in der fernen Zukunft mit ihr beschäftigen.
Sie forschen bereits an Alternativsubstraten. In welcher Alternative sehen Sie im Moment das meiste Potenzial?
Interessant könnte für uns beispielsweise Kalamitätsholz sein. Das ist Holz, das aufgrund von Schädlingsbefall, Trockenheit oder auch Sturmschäden gefällt werden musste und nun in den Wäldern lagert. Es ist also genug da und keiner weiß eigentlich so wirklich, was man damit machen kann oder soll. Bei diesem Holz handelt es sich in der Regel um Nadelholz. Wenn das durch hydrothermische Behandlung richtig aufgeschlossen wird, dann werden auch die Tannine und Harze ausgewaschen, was es zu einem wunderbaren Substrat macht. Ich sehe da also durchaus Potenzial für die Substratherstellung oder als alternative Abdeckerde für die Champignonbranche.
Das dauert sicherlich aber noch mindestens fünf Jahre, bis da etwas entwickelt wird. Wichtig bei der Forschung und Entwicklung torffreier Alternativen ist generell, dass diese letztlich auch umweltfreundlich und damit vor allem CO2-neutral sind. Eine sehr vielversprechende Alternative in dieser Hinsicht ist beispielsweise Mais. Dieser bindet bis zu 30 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar, Waldfläche zum Vergleich nur rund 11 Tonnen. Es gibt bereits erste Versuche, Mais als torffreie Abdeckerde für die Pilzproduktion zu nutzen. Eine andere Möglichkeit, die vielleicht aber erst in einem Zeithorizont von zehn bis zwanzig Jahren eine Rolle spielen könnte, ist außerdem Pflanzenkohle. Sie speichert viel CO2, ist aber aktuell noch sehr teuer. Wir forschen auch an Hanfschäben, die ähnlich wie Buchenschäben ein Abfallprodukt sind. Sie sind torfähnlich und können Wasser richtig gut speichern. Zudem sind Flachsschäben interessant. Flachs oder Lein wird allerdings nicht großflächig in Deutschland angebaut. Durch den Klimawandel könnte dieser aber in Zukunft wieder möglich sein, weil er wenig Wasser benötigt und höhere Temperaturen aushält.
Sie sind ganz frisch dem Bund Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer e. V. beigetreten. Was erhoffen Sie sich als Wissenschaftlerin von der Mitgliedschaft?
Mir ist der fachliche Austausch enorm wichtig. Jeder Betrieb hat seine eigenen Rezepturen und Innovationen, aber auch ganz eigene Probleme und Fragen. Wir als Wissenschaftler bekommen diese Fragen und Probleme aber leider oft gar nicht mit, weil wir überwiegend im Büro sitzen oder im Labor arbeiten. Daher brauchen wir den Austausch, weil wir so auch Zugang zu den Pilzproduzenten bekommen. Gerade für junge Absolvent*innen, die frisch von der Uni kommen, ist das besonders wertvoll.