Anfang des Monats ist der bekannte ungarische Pilzforscher, Professor Sándor Balázs, nach längerer schwerer Krankheit, in seinem 91. Lebensjahr in Budapest, im Kreise seiner Familie, verstorben. Prof. Balázs war eine herausragende Persönlichkeit des ungarischen Gartenbaues und des Pilzanbaues. Er ist auch den deutschen Pilzanbauern bekannt, hat er doch in den zurückliegenden Jahren wiederholt Vorträge an Veranstaltungen der ehemaligen Versuchsanstalt für Pilzanbau in Krefeld gehalten.
Prof. Balázs war Direktor des Institutes für Gemüsebau in Kecskemét, wo viele Jahre auch intensive Versuchstätigkeit über Anbaumöglichkeiten des Austernpilzes, des Shii-take und auch des Kulturchampignons durchgeführt wurden. Zusammen mit seiner engen Mitarbeiterin, Dr. Melina Gyenes, hat Prof. Balázs seine Versuchsergebnisse in mehreren Beiträgen auch in der Fachzeitschrift „Der Champignon“ veröffentlicht. In dieser Zeit wurde das sogenannte „Xerotherm-Verfahren“ zur Substratherstellung für den Austernpilz entwickelt. Das Wesentliche an diesem Verfahren ist, dass das Grundmaterial, in der Regel Getreidestroh, zuerst gehäckselt und trocken für 60 Minuten auf nahe 100 °C erhitzt, unmittelbar danach mit Wasser abgekühlt, gleichzeitig befeuchtet, gespickt und in Plastiksäcke abgefüllt wird. Die erfolgreiche Etablierung dieser Methode führte zur bedeutenden Zeit- und Energieersparnis in Vergleich mit den üblichen Verfahren. Dieses Verfahren hat Prof. Balázs mit seiner Arbeitsgruppe auch für die Erzeugung von Shii-take- und Champignonsubstrat auf der Basis von Getreidestroh eingesetzt.
Prof. Balázs war auch Hochschullehrer, Inhaber des Lehrstuhls für Gemüsebau und Pilzanbau an der Gartenbauwissenschaftlichen Fakultät der Corvinus Universität in Budapest. Er war an der Ausbildung von Generationen von Diplom-Gartenbauingenieuren beteiligt, betreute Doktoranden und etablierte schließlich das Fach Pilzanbau als Wahl oder Pflichtfach für Gartenbaustudenten an der Fakultät. Das Studium des Pilzanbaus an der Corvinus Universität in Budapest, das neben der Theorie auch reichlich praktische Aktivitäten einschließt, ist – zumindest in Europa – einmalig.
Seine unermüdliche Tätigkeit in Forschung und Lehre, aber auch in sozialem Bereich und in berufsständischen Organisationen, brachte ihm zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen ein. Die bedeutendste war die Wahl zum ordentlichen Mitglied der traditionsreichen Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Aktiv blieb er bis zum Schluss. Noch wenige Monate vor seinem Tod erschien er täglich in seinem Büro an der Corvinus Universität, wo er zuletzt den Posten eines Professor Emeritus bekleidete und las die Fachliteratur, korrigierte Manuskripte, unterhielt sich mit jungen Kollegen und Doktoranden – nahm mit anderen Worten, voll am Universitätsbetrieb teil.
Durch den Tod von Professor Sándor Balázs verlor der ungarische Gartenbau und insbesondere der Pilzanbau eine herausragende Persönlichkeit, einen Unterstützer und einen Fürsprecher. Aber durch seinen Tod verloren wir alle, die wir uns mit Pilzanbau beschäftigen oder beschäftigt haben und ihn näher kannten, einen fachkompetenten, klugen, zugleich bescheidenen und liebenswürdigen Kollegen und Freund.
Text und Bild: Prof. Lelley