Preise dominierend beim Lebensmitteleinkauf in Krisenzeiten

Marktforscher Prof. Dr. Stephan Meyerding zeigte eindrucksvoll auf, wie sich der Krieg in der Ukraine auf das Konsumverhalten in Deutschland auswirkt.

Eine Krise jagt die nächste – erst war es das Coronavirus, das das Leben der Menschen zwei Jahre lang in Atem hielt. Am 24. Februar 2022 folgte mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ein weiteres Ereignis, das man gehofft hatte, hinter sich gelassen zu haben. „Wir haben nun seit vielen Jahrzehnten wieder einen Krieg in Europa. Das hat die Menschen in eine Schockstarre versetzt. Viele dachten, die Zeit der Krise sei überwunden und es würde nun alles besser werden“, erläutert Prof. Dr. habil. Stephan Meyerding von der HAW Hamburg in seinen einleitenden Worten auf der Jahrestagung des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer e. V. (BDC) in Eindhoven die aktuelle Lage. Sein Fachgebiet ist neben der Marktforschung auch das Konsumentenverhalten, das im Zentrum seines Vortrages im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung stand.


Auch wenn Deutschland nicht Teil des Kriegsgeschehens ist, so sind die Folgen hierzulande in nahezu allen Lebensbereichen zu spüren. Ein Gradmesser hierfür ist die Inflations- oder auch Teuerungsrate, die im September bereits bei 10 % lag. „Das ist die höchste Inflationsrate seit 70 Jahren“, betont Meyerding. Wie wirkt sich diese nun aber auf das Konsumverhalten der deutschen Bürger aus? „Normalerweise ist es so, dass die Bevölkerung bei hohen Inflationsraten mit einer niedrigen Sparquote antwortet. Soll heißen, die Menschen geben mehr aus, weil es könnte ja in Zukunft alles noch teurer werden. Wir sehen jetzt allerdings ein komplett anderes Verhalten. Die, die es noch können, sparen mehr und konsumieren weniger.“ Ein Bild, das sich auch im Konsumklimaindex eindeutig widerspiegelt. Schon zu Coronazeiten war die Konsumlaune stark abgesunken. Im September ist sie, wie auch die Inflationsrate, auf ein historisches Tief abgesunken. Für Stephan Meyerding liegt der Grund für diese Verhaltensweise ziemlich eindeutig in der wachsenden Unsicherheit, die mit den Folgen des Krieges einhergehen. Diese würde vor allem durch Alltagserfahrungen weiter ansteigen, denn die Menschen werden täglich mit steigenden Kosten konfrontiert – sei es bei der Energie, aber auch im Supermarktregal. „Bestimmte Kosten lassen sich nicht so einfach ändern. Dazu gehört die Wohnung oder beispielsweise das Auto. Das führt dazu, dass sie Verhaltensänderungen im Kleinen angehen, wozu auch der Lebensmitteleinkauf gehört“, erklärt Meyerding die Sparlaune der Deutschen. Zu hoffen ist, dass mit den von der Bundesregierung eingeführten Preisbremsen die Lust zum Einkauf wieder zurückkommt, denn sie könnten den Bürgern eine gewisse Sicherheit zurückgeben.


Bis die Auswirkungen der Preisbremsen aber tatsächlich im Geldbeutel zu spüren sind, möchten viele Menschen erst mal weiterhin ihr Konsumverhalten anpassen. Das bestätigen laut Prof. Dr. Stephan Meyerding auch Umfragen des Marktforschungsunternehmens Mintel. „Eine repräsentative Umfrage für Deutschland zeigt nicht nur, dass 83 % der Deutschen glauben, der Konflikt habe eine Auswirkung auf ihre finanzielle Situation. Sie bestätigt auch, dass 80 % tatsächlich Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Getränken wahrnehmen. Teurere Lebensmittel sind also sehr präsent und greifbar, weshalb die Bürger daraus Konsequenzen ziehen“, meint der Marktforscher. Dazu gehören Anpassungen beim Lebensmitteleinkauf, indem vermehrt wieder beim Discounter eingekauft, bei Luxusgütern eingespart und mehr auf Eigenmarkenprodukte gesetzt wird. Der Fokus vieler Konsumenten liegt also in der aktuellen Lage stark auf den Preisen und Attributen wie einer langen Haltbarkeit. Denn auch die Vorratshaltung hat in den vergangenen Monaten wieder an Bedeutung gewonnen.


Für Nachhaltigkeitsthemen sind das keine guten Nachrichten. Haben sie in der Coronakrise eine zentrale Rolle im Supermarktregal gespielt, so rücken sie nun vermehrt in den Hintergrund. Gerade die Biobranche hat daran zu knabbern, denn der Kauf von Bio-Lebensmitteln hat 2022 an Bedeutung verloren. „In Krisenzeiten wird klar abgewogen zwischen der Ökonomie und Themen wie Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz. Sicherlich verlieren die Menschen nicht grundsätzlich ihr Nachhaltigkeitsbewusstsein, aber es rückt deutlich in den Hintergrund. Es wird momentan vor allem durch die Preis-Brille eingekauft. Der günstige Preis ist in der aktuellen Phase das entscheidende Merkmal“, betont Stephan Meyerding.

Die Rolle der heimischen Landwirtschaft in der Krise

Während sich die Deutschen als krisengeplagt sehen, wird der heimischen Landwirtschaft diese Eigenschaft nicht zugesprochen. „Viele bemerken Knappheiten bei Lebensmitteln, aber eher bei Grundnahrungsmitteln wie Mehl, Zucker und Speiseöle. Frisches Obst und Gemüse sehen die Bürger nicht in Gefahr, weil sie erwarten, von der heimischen Landwirtschaft versorgt zu werden. Sie glauben also nicht, dass die Krise einen Einfluss auf die Produzenten hat und sind daher auch nicht bereit, bei Obst und Gemüse mehr auszugeben“, meint der Marktforscher. Sonderpreise, Wochen- und mehr geplante Einkäufe sind für viele jetzt das Mittel der Wahl. Was kommt aber nach der Krise? Wie soll es danach weitergehen? „Wir sind in den vergangenen Jahren durch viele Krisen gegangen. Es hat sich gezeigt, dass sich die deutsche Wirtschaft immer wieder schnell erholen konnte. Die Hoffnung ist also, dass wir uns auch hiervon schnell erholen werden. Sobald sich die Konsumenten in Sicherheit wägen, werden sich die Trends aus der Vorkrisenzeit wieder durchsetzen, davon bin ich überzeugt“, ist sich Stephan Meyerding sicher. Das zeigen auch die Zahlen des Pro-Kopf-Konsums von Gemüse. Von 1950 bis 2019 hat es in diesem Bereich eine Steigerung von 94 % gegeben. Gemüse ist im Trend und so auch eine bunte und vielfältigere Küche als noch vor vielen Jahren. Auch der Trend hin zu Biolebensmitteln hat über die Jahre zugenommen. „Dieser ist zwar aufgrund der Lage kurzfristig nicht so präsent, er ist aber weiterhin als ein langfristiger Trend anzusehen.“ In die Hände spielen könnte der Kulturpilzbranche vor allem der Trend hin zum Vegetarismus sowie die hohe Relevanz der Herkunft. Laut einer von Prof. Dr. Stephan Meyerding durchgeführten Befragung im Jahr 2017 war für 46 % der Teilnehmer die Herkunft von großer Bedeutung. „Deutsche Kulturpilze können eine wichtige Rolle genau bei diesen beiden Entwicklungen spielen. Insbesondere ihr Einsatz als Fleischalternative ist ein großer Pluspunkt“, so Meyerding abschließend.

Text: BDC
Bild: BDC

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