„Es wird für die Betriebe immer schwieriger“

BDC-Vorsitzender Hans Deckers blickt mit gemischten Gefühlen auf die Zukunft der deutschen Kulturpilzbranche

Von einer Extremsituation in die nächste – die vergangenen Jahre waren für die deutsche Kulturpilzbranche keine leichten. 2022 hat dem Ganzen noch mal mehr Dynamik gegeben: Extreme Preissteigerungen in allen Belangen der Betriebsabläufe und ein Markt, der zu Ostern stark eingebrochen war und sich nur schwer erholt, bestimmen den Alltag der Pilzproduzenten hierzulande. Da fällt es schwer, positiv in die Zukunft zu blicken. Der neue Vorsitzende des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer e. V. (BDC), Hans Deckers, hat zum Jahresende ein Resümee gezogen und verraten, wie er die kommenden Jahre der Branche einschätzt und was er sich für seine Amtszeit wünscht.

Herr Deckers, das Jahr neigt sich mit schnellen Schritten dem Ende zu. Was ist Ihr Resümee der Saison 2022?

So ein Jahr wie 2022 haben wir noch nie erlebt. Wir kommen aus einer schwierigen Coronazeit, die mit deutlich Mehraufwand einherging. An und für sich sind wir als Branche relativ gut durch diese Zeit durchgekommen, wir hatten gute Steigerungen in den vergangenen eineinhalb Jahren. Dann kam allerdings der Krieg. Die ersten Monate waren noch ganz in Ordnung, aber zu Ostern ist der Markt dann regelrecht zusammengebrochen. Zahlreiche Betriebe konnten nicht alles verkaufen, weil vieles, was vorbestellt war, dann leider nicht abgenommen wurde. Gerade den Biobereich hat es dabei am stärksten getroffen. Viele Verbraucher wurden verunsichert, was dazu geführt hat, dass die höherpreisigen Artikel massiv eingebrochen sind. Aber auch die vielen Angebote in den Supermärkten drücken natürlich die Preise – vor allem bei den Champignons war das der Fall. Die Pilzbetriebe sahen sich gleichzeitig mit extremen Preissteigerungen im gesamten Betriebsablauf konfrontiert.

Es war wirklich alles betroffen, vom Substrat über die Energie und viele andere Rohstoffe bis hin zu den Zuliefererprodukten sowie den Kartonagen. In Teilen war es schon möglich, die Preise bei den Abnehmern entsprechend anzupassen. Aber sicher nicht in dem Umfang, in dem es angemessen wäre, weil es dann natürlich weder gegenüber dem Handel noch dem Verbraucher mehr darstellbar ist. Insgesamt muss man also sagen, dass wir in diesem Jahr eine geringere Produktion sowie einen geringeren Verkauf als in den Jahren davor zu verzeichnen haben. Man muss dennoch betonen, dass man 2022 nicht mit den Jahren 2020 und 2021 vergleichen kann. Corona war einfach eine Ausnahmesituation. Wir stellen uns jetzt allerdings schon die Frage, wie geht es weiter und wohin wird das noch alles führen? Im Moment kann einfach keiner genau sagen, wie die kommenden Monate aussehen werden. Die Probleme werden ja nicht weniger. Man denkt immer, dass man das eine geschafft hat, aber dann geht es direkt mit den nächsten weiter. Es wird für die Betriebe immer und immer schwieriger, weshalb gerade kleinere sich die Frage stellen, ob es sich überhaupt noch lohnt, weiterzumachen.

Sie sind seit Ende September der neue Vorsitzende des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer e. V. (BDC). Worin sehen Sie die größten Herausforderungen, aber auch Chancen der kommenden Jahre?

Unsere Chance ist, dass wir ein tolles Produkt haben. Der Fleischkonsum nimmt ab und wir bieten mit den Kulturpilzen eine der besten Alternativen. Und das können wir auch den Verbrauchern offen und ehrlich darlegen und müssen es auch, denn sie entscheiden letztlich über Erfolg und Misserfolg unserer Produkte. Das ist unser großes Plus. Es gibt aber auch Herausforderungen, gerade im Bereich der Deckerden zum Beispiel. Wenn wir da keine vernünftigen (Torf-)Alternativen beziehungsweise Lösungen finden, können wir, drastisch formuliert, die Türen schließen. Ein Anbau von Champignons ist dann nicht mehr möglich und der macht rund 95 % der gesamten Pilzbranche in Deutschland aus. Das ist aktuell sicherlich die größte Herausforderung, die uns ins Haus steht. All die anderen Punkte wie Personal und Energie bleiben natürlich ebenfalls bestehen. Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf den Champignon ist die Beschaffung von Rohstoffen für das Substrat.

Auch da gibt es Konkurrenzsituationen mit anderen Branchen. Ich sehe aber auch, dass die vielen anderen Kultur- beziehungsweise Edelpilze eine Chance haben, sich in den nächsten Jahren hier stärker zu etablieren. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, aber da wird sicherlich noch ein deutlicher Zuwachs kommen. Ob die Preise dann bei diesen Produkten gehalten werden können, ist wieder eine andere Frage. Champignons sind im Verhältnis zu den anderen Pilzen doch deutlich günstiger. Und da sagt sich vielleicht der ein oder andere Verbraucher: Na, die sehen zwar schön aus, aber ich greife doch lieber zum günstigeren Produkt. Das hängt alles damit zusammen, wie viel sich der Verbraucher in der nächsten Zeit noch leisten kann. Wir versuchen unser Bestes. Und der Vorteil ist: Wenn man ein gutes Produkt hat, kann man darauf den Fokus setzen und das nach außen tragen. Diesen Vorteil müssen wir nutzen.

Haben Sie sich Ziele vorgenommen für Ihre Amtszeit beziehungsweise gibt es Punkte, die Sie unbedingt in dieser Zeit umsetzen möchten?

Ich möchte einfach, dass wir als Branche mit unserem Produkt gut bei den Leuten und am Markt ankommen. Daran können wir arbeiten. Dazu müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen, damit wir das auch tun können. Das heißt, die Betriebe brauchen Sicherheit, um weiterhin existieren zu können. Ohne diese Sicherheiten hat man es leider auch schwer, junge Leute an den Pilzanbau heranzuführen. Und wir brauchen den Nachwuchs. Mein Wunsch ist es daher, dass wir den Fokus vor allem auf die jungen Pilzproduzenten legen und dafür sorgen, dass sie existenzielle Sicherheiten haben. Ohne sie sind wir ein Auslaufmodell. Und das möchten wir nicht sein (lacht).

Gibt es etwas, dass Sie den BDC-Mitgliedern für das kommende Jahr mitgeben möchten? Einen Appell, einen Rat oder Wünsche?

Ich hoffe und wünsche mir, dass wir alle gut durch diese Phase und vor allem wieder in etwas ruhigere Zeiten kommen. Denn es ist nicht unerheblich, was unsere Betriebe in den vergangenen Jahren mitgemacht haben. Auf Dauer ist das doch sehr belastend. Es wäre schön, endlich wieder einmal durchatmen zu können. Und meine große Hoffnung ist es, dass wir nicht weniger werden in unserer schon relativ kleinen Branche.

Text: BDC
Bild: BDC

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