Bundestagswahl 2021: Neuaufbruch oder Weiter so?

73_Jahrestagung

Die 73. Jahrestagung des Bund Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer (BDC) e. V. fand nicht ganz eine Woche nach dem größten deutschen Ereignis 2021 statt: der Bundestagswahl. Gerade auch für die Landwirtschaft und den Gartenbau sind der Ausgang dieser mit Spannung erwartet worden, denn ein Neuaufbruch, eine neue politische Konstellation bedeuten auch neue Herausforderungen für die Branche. Umso ruhiger war es dann auch im Saal, als Dr. Paul Nolte, Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der FU Berlin, die diesjährige Bundestagswahl in die Geschichte Deutschlands einordnete und einen Ausblick wagte. Der Titel seines Vortrags „Deutschland nach der Wahl – Neuaufbruch oder Weiter so?“ traf es dabei ziemlich gut, denn der Ausgang sorgte für viele Überraschungen. „In den diesjährigen Wahlen stecken viele Umbrüche.

Für die Union war es ein historisches Tief. Die SPD hingegen ist von den Toten wiederauferstanden. Bei den Grünen sind die Bäume nicht in den Himmel gewachsen und die Linken waren alles andere als erfolgreich“, erklärt der Historiker. Was einmal als 3-Parteiensystem begann, hat sich inzwischen zu einem 6-Parteiensystem entwickelt, das sich auch 2021 bestätigt hat. „Entgegen vieler Erwartungen hat sich allerdings der Trend hin zu einer radikalen Disruption oder auch einer Polarisierung in zwei verschiedene Lager wie in den USA, Italien oder Frankreich nicht bestätigt“, so Nolte weiter. Dennoch ist es für den Historiker ein klarer Pendelschwung in eine andere Richtung nach 16 Jahren der Kontinuität. „Das fügt sich in ein Muster in der deutschen Geschichte, denn diese ist ein langer Zyklus von Pendelschwüngen.“

Schon nach der Ära der CDU unter Adenauer, Erhard und Kiesinger, gab es einen Pendelschwung hin zur SPD erst unter Willi Brandt, dann unter Helmut Schmidt, auf welchen ein Schwung in Richtung Helmut Kohl, schließlich weiter zu Gerhard Schröder und 2005 hin zu Angela Merkel folgte. 2021 ist das Pendel nun erneut in Schwingungen geraten – wohin genau ist inzwischen klarer, aber noch nicht endgültig.
Nach einer Kanzlerdemokratie unter Merkel, in der das Mitregieren der SPD nur wenig anerkannt wurde, wie Nolte erklärte, soll es nun keine GroKo mehr geben. Hingegen seien neue Akzente mit Grün und Gelb erwünscht. „Das Ergebnis zeigt, dass ein grundlegender Wandel, ein Neuaufbruch spürbar geworden sind“, betont Dr. Nolte. Es könne sogar sein, dass dieser Ausgang die Bewertung der Ära Merkel verändert.

„Bei vielen Wählern hat sich ein Unbehagen eingeschlichen. Es wird sich die Frage gestellt, ob die vergangenen 16 Jahre vielleicht doch nicht so gut waren, wie sie immer schienen.“ Auch wenn die Ära Merkel eine Zeit der Stabilität und damit ein Markenzeichen der politischen Kultur Deutschlands darstellte, war sie vor allem auch eine Zeit der Krisen. „Sie hat sich dabei als Krisenmanagerin bewährt. Es ging daher weniger um Aufbruch und Transformation, sondern in erster Linie um Resilienz gegenüber Krisen“, macht der Historiker deutlich. Das sei laut Nolte auch der Grund, warum sich über die Jahre ein Bild der Stagnation gefestigt hat, das Deutschland verpasste Chancen und ein Zurückfallen auf internationaler Ebene attestiert. Umso mehr brauche es jetzt neue Impulse, um sich davon zu lösen. Doch wie schaut Deutschland nun auf die Zukunft? „Wir blicken leider zu oft mit sehr weitreichenden Perspektiven nach vorne. Das kann auch ein Blick zu weit sein. Denn wollen wir jetzt wirklich schon für die Menschen 2050 planen?“, fragt Dr. Paul Nolte das Publikum.

Oft werden die Visionen von Pessimismus geprägt und die vielen Planungen von der Wirklichkeit eingeholt. „Viele der vorhergesagten apokalyptischen Zustände sind nicht Realität geworden. Es ist deshalb wichtig, beim Blick in die Zukunft nicht in Panik zu geraten, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren“, macht Nolte deutlich.
Für den Historiker gibt es vor allem drei Punkte, die in der nahen Zukunft und damit in der kommenden Regierungsperiode eine große Rolle spielen werden. Dazu gehöre das Klima und damit auch die Ernährung, die ein wichtiges Handlungsfeld in diesem Komplex darstellen werde. Hinzukommen der Wunsch beziehungsweise die Suche nach mehr sozialem Zusammenhalt sowie die Entschlackung des Staates und damit Bürokratieabbau. „Letztlich müssen sich diese drei Pole zueinander verhalten. Denn mögliche Ergänzungen und Überlappungen sind eindeutig erkennbar“, betont der Historiker zum Abschluss.

Text: BDC
Bilder: BDC

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