Energiepreise – welche Strategie ist die beste?

Energieberater Michael Behr gab einen Einblick in die aktuelle Lage auf dem Energiemarkt.

Es gibt kaum ein Thema, das aktuell so viel beschäftigt wie die Energieversorgung. Gerade energieintensive Branchen wie der Gemüsebau oder auch die Kulturpilzproduktion leiden massiv unter der volatilen Situation. Welche Strategien bei der Energiebeschaffung in der jetzigen Lage sinnvoll sein können, zeigte Michael Behr vom Bundesverband der Energie-Abnehmer e. V. (VEA) in seinem Vortrag auf der diesjährigen BDC-Jahrestagung in seinem Vortrag auf.


„Die Strom- und Gaskurve ist in den vergangenen zwölf Monaten sehr steil angestiegen. Die Energiepreise haben sich deutlich verteuert. Neben der Frage, ob wir morgen überhaupt noch Gas und Strom haben, stehen viele Unternehmen zusätzlich vor der Frage, ob und wie sie die Preise noch bezahlen können“, erklärt Behr gleich zu Anfang sehr eingehend. Aber was sind denn eigentlich die preistreibenden Gründe, die hinter den steilen Kurven stecken? Ein wesentlicher sei laut dem Energieberater der CO2-Handel, der 2020 zunehmend von Versteigerungen geprägt war, da der Markt verstärkt Klimaschutzziele antizipiert und der Einfluss von Tradern inzwischen nicht mehr unerheblich sei. „Jeder Stromerzeuger, der fossile Brennstoffe einsetzt, muss CO2-Zertifikate erwerben und diese einpreisen. Je mehr Strom durch fossile Brennstoffe erzeugt wird, desto mehr Zertifikate sind auch im Umlauf. Der Unterschied heute ist, dass jetzt nicht mehr nur die am CO2-Handel teilnehmen, die das müssen, sondern der Markt auch für Hedgefonds interessant geworden ist, die dort ihr Geld geparkt haben und hoffen, am Ende Geld herausziehen zu können. Das treibt die Preise natürlich in die Höhe“, so Behr. Neben dem CO2-Handel haben auch die Gaskraftwerke einen starken Anteil am Anstieg der Energiepreise, schließlich sind sie die teuersten Kraftwerke im Netz. Hinzukommt die Konkurrenz um LNG-Lieferungen mit Asien sowie die schlechte Verfügbarkeit von französischen Kernkraftwerken, die aufgrund von technischen Problemen aktuell nicht auf voller Last laufen. „Frankreich muss also Strom aus anderen Ländern zukaufen, auch aus Deutschland, was die Preise weiter antreibt“, erklärt Michael Behr.


Aufgrund der Schäden an den Gaspipelines von Nordstream 1 und 2 bleibt die Lage weiterhin angespannt. „Dass Nordstream 1 nicht mehr funktionsfähig ist, tut sehr weh, denn technisch wäre sie in der Lage gewesen, Gasgrundmengen zu liefern. Für diesen Winter sind wir relativ sicher, was die Gaslage angeht, denn über den Sommer konnten die Speicher gefüllt werden. Wie es aber im Winter 2023/24 aussieht, wird man sehen. Das sehe ich schon deutlich kritischer“, meint der Energieberater.

Was kann man tun, um massive Preissteigerungen im Betrieb zu vermeiden?

Preissteigerungen von mehreren Hunderten Prozent bei Kunden seien daher aktuell keine Seltenheit. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn vor allem beim Gas werden sich die Preise 2023/24 weiter stark nach oben beschleunigen. Zu wissen, welche Strategie die richtige ist, kann daher vor bösen Überraschungen schützen. „Viele Kunden haben in ihren Verträgen Festpreise gemacht und somit das preisliche Risiko auf einen einzigen Tag gelegt. Besser ist eine strukturierte Beschaffung, also Einkaufszeitpunkte über eine längere Zeit zu verteilen. Das Ziel ist hierbei, das Preisrisiko zu streuen und bessere Optionen zu erzielen“, betont Michael Behr. Denn klar ist auch, dass der optimale Einkaufszeitpunkt nicht festgelegt werden kann, da niemand die künftige Preisentwicklung kennt. Aktuell seien Schwankungen am Markt von 20 Euro/MWh pro Tag keine Seltenheit. Eine lange sowie eine parallele Beschaffung von mehreren Jahren kann daher der Schlüssel sein. „Es gilt, frühzeitig damit anzufangen und sich jetzt nicht nur mit 2023 zu beschäftigen, sondern sich heute schon um die Jahre 2024 und sogar 2025 zu kümmern“, rät Behr.


Ein geeignetes Mittel könnte dabei das Tranchenmanagement darstellen. Der VEA bietet dazu Modelle an, die den Preis am Börsenmarkt beobachten. Festgelegt wird eine Preisober- sowie eine Preisuntergrenze. Steigt der Preis, bleibt die Obergrenze bestehen, fällt der Preis, kann die untere Preisgrenze mitfallen. Irgendwann kommt es dazu, dass sich die Kurven überschneiden, was genau der Zeitpunkt wäre, wo ein Trancheneinkauf ausgelöst werden kann. „Das ist ein einfaches und schnelles Mittel, das in der Regel zu ganz guten Ergebnissen führt und auch im eigenen Unternehmen funktioniert.“ Behr rät zudem, den Markt zu beobachten und sich ein Berichtswesen zuzulegen, denn das sei ein gutes Mittel, um die optimalen Zeitpunkte zu erwischen.


Von der Taktik des Abwartens rät er hingegen ab. „Das Argument ‚Der Markt beruhigt sich schon wieder‘ hat man in letzter Zeit oft gehört. Aber Kundenbeispiele zeigen, dass das ein Spiel mit dem Feuer war“, so Behr. Ein Kunde, der sich im März 2021 umgeschaut hat, weil er einen neuen Vertrag für 2022 brauchte, hatte letztlich ein Preisdelta von mehr als 300.000 Euro, weil er zu lange abgewartet und erst im November 2021 einen Vertrag abgeschlossen hat. Eine andere Strategie, auf die viele gesetzt haben, ist der sogenannte Spotmarkt. „Statt einen hohen Preis für zwölf Monate in Kauf zu nehmen, haben sich Kunden für das Ungewisse entschieden. Das ist am Anfang des Jahres noch gut gegangen, aber mit den extremen Preisen jetzt geht das kaum mehr“, betont der Berater. In einem fingierten Beispiel hätte das einen Preis von 4,7 Ct/kWh für einen Kunden mit der Spotmarktstrategie im Vergleich zu 1,8 Ct/kWh für das Tranchenmanagement (über einen Beschaffungshorizont von drei Jahren) des VEA bedeutet. Das Delta der Simulation bei mehr als 100 GWh pro Jahr lag somit bei knapp 3 Mio. Euro. Eine nicht unerhebliche Summe. „Der Spotmarkt kann eine Chance sein, ist aber auch sehr risikoreich. Meine Empfehlung ist, dass er aktuell kein Allheilmittel darstellt.“


Eine Chance sieht Michael Behr auch in alternativen Energiequellen wie Wind oder Sonne. „Während PV-Anlagen lange Zeit voll eingespeist wurden, weil damit gute Preise erzielt werden konnten, kann es jetzt sinnvoll sein, diese aus Volleinspeisung rauszuholen und sie für die eigene Energieversorgung zu nutzen“, rät er. Wer keine Anlagen finanzieren oder erwerben will, kann auch sogenannte „Power Purchase Agreements“ eingehen. Hierbei können Energiekunden zum Beispiel einen Vertrag mit einem Windparkbetreiber direkt abschließen. „Diese verkaufen Ihnen den Strom zu einem fixen Preis und vor allem direkt, denn dort sind keine weiteren Händler dazwischengeschaltet“, erklärt Michael Behr. Damit könne es möglich sein, sich langfristig einen Teil seines Stroms zu relativ günstigen Konditionen zu sichern und gleichzeitig auf nachhaltige Energie zu setzen. „Damit kann man den CO2-Fußabdruck des Betriebes deutlich verbessern. Wir sehen, dass gerade im Lebensmittelbereich genau danach immer stärker nachgefragt wird.“

Text: BDC
Bild: BDC

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